In Ergänzung zu der hervorragenden Ausführung von @Tondose zu R 128 (“Wie es funktioniert”) gibt es hier einen kleinen Ausflug in die Praxis mit mAirList.
Dazu brauchen wir mindestens Version 6.2 oder höher.
Testaufbau: Der Mini-Scheduler hat mir eine vollkommen zufällige Sendestunde zusammengewürfelt.
Ich habe diese dann unterschiedlich normalisiert und den Mixdown dieser verschiedenen Stunden als *.wav auswerten lassen.
Zunächst mal zur Konfiguration.
Im Originalzustand zeigt sich mAirList im Abschnitt Normalisierung
wie folgt:
Voreinstellung ist Peak (dBFS)
mit 0 dBFS - so wie man die Normalisierung aus vorherigen Versionen kennt.
Auf Anregung eines Anwenders habe ich auch einen Testlauf mit -3 dBFS Peak durchgeführt.
Wenn man stattdessen auf Lautheit normalisieren möchte, muss man im oberen Auswahlfeld umschalten auf EBU R 128 (LUFS + dBTP)
.
- TP steht für True Peak und ist etwas anderes als Peak der “einfachen” Normalisierung. Ein Vergleich zeigt, dass Peak (dBFS) ≠ dBTP ist; True Peak ist aufgrund einer gründlicheren Berechnung zuverlässiger. Das wird später noch aufgezeigt. -
Zu Testzwecken bin ich von der Original- EBU R 128 mit -23 LUFS (mAirList-Voreinstellung) abgewichen. Es hat sich herausgestellt, dass z.B. DAB+ Stationen aktuell (noch) mit -18 LUFS senden.
Nun zu den Mixdowns, dargestellt als Wellenform in Audacity v2.3.3.
Zunächst der Mixdown mit 0 dBFS Peak:
Sehr schön zu erkennen: Das Streben nach dem höchsten Peak bei 0 dBFS bevorzugt die glattgebügelten (“platt gemasterten”) Titel stärker als dynamische Titel mit nur einem einzelnen hohen Peak.
Die innere, helle Wellenform offenbart Lautheitssprünge schon beim reinen Anblick.
Bei -3 dBFS Peak sieht es nicht besser aus - nur insgesamt eben um 3 dB leiser.
Zu der Achterbahnfahrt der inneren Wellenform möchte ich aus Tondoses Dokument zitieren:
… und nun behaupten wir, dass das mit einer Normalisierung nach dem Algorithmus gemäß R 128 nicht passieren soll(te).
Huch!
Nachdem ihr euch vom Schreck erholt habt, dass das ja viel zu leise sei (falsch: die anderen Hüllkurven waren einfach nur brutal laut), kommt die Überraschung: Die Lautheitskurve bewegt sich weitgehend auf einem Level.
Besonders gut zu erkennen ist das bei den Titeln, die zuvor im Getöse der anderen, auf laut getrimmten Titel unterzugehen drohten. Sie sind jetzt nämlich - endlich! - gleichberechtigt.
Du magst nun fragen: “Haut es mir bei den nun erkennbaren dunkelblauen Spitzen denn nicht den Kopfhörer von den Ohren oder die Lautsprecher vom Tisch?”
Dazu noch einmal Tondose:
Und dieser Durchschnittspegel ist die innere, die hellblaue Hüllkurve.
Aha!
Moment - heißt das etwa, dass die Peak-Normalisierung falsch ist?
Lass’ es mich so sagen: Die Normalisierung nach Lautheit ist besser, auch wenn das Programm im ersten Moment leiser daher kommt. Auf Dauer ist es aber angenehmer und stressfreier - zumal eine laute Dauerbeschallung unser armes Gehör schneller ermüdet.
Nun gibt es noch ein paar Messergebnisse, ausgewertet mit dem Orban Loudness Meter v2.9.6 - in umgekehrter Reihenfolge.
Also erst mal die Lautheits-Normalisierung mit -18 LUFS:
Fast genau eine Punktlandung (die R 128 erlaubt eine Abweichung von ±0,5 LUFS bei vorproduziertem Material sowie ±1 LUFS bei Live-Zuspielungen) und selbst der größte Peak bleibt noch unterhalb -1 dBTP.
Sauber!
Nun zum in der Wellenform unauffälligen Material mit -3 dBFS Peak:
Okay, mal kurz die Hürde von -1 dBTP gerissen, nicht so schlimm… oder? Wie wird sich die Peak-Begrenzung bei noch dynamischerem Material verhalten?
Wie schon geschrieben:
Peak (dBFS) ≠ dBTP
… und damit erweist sich der “einfache” Peak als nicht gerade verlässliche Bremse im laufenden Betrieb. Der Einsatz eines zusätzlichen Limiters scheint geboten.
These: Bei 0 dBFS Peak haut das vermutlich auch nicht hin?
Spoiler: Stimmt. Leider.
WAS???
True Peak (hochgerechnet) +2,2 (ja, plus!) und - rein rechnerisch - 4,75 Übersteuerungen (Clippings) pro Sekunde!
Aber in Audacity… ups, sorry, ich hatte vergessen, die Übersteuerungsanzeige einzuschalten:
Zugegeben: Der Hörer wird es in aller Regel nicht mitbekommen (bei so einem Soundbrett ohnehin nicht) und zerren wird es vermutlich auch - noch - nicht. Trotzdem: Soll deine Sendung so beim Hörer ankommen? Sicher?
-
Muss ich mich sklavisch an die -23 LUFS halten?
- Nein. Es ist eine Empfehlung (das “R” steht für “Recommendation”). Natürlich kann man davon abweichen und die mAirList-Konfiguration ermöglicht es dir sogar.
Allerdings ist es nicht sinnhaft, kurz vor dem möglichen Ende des loudness war einen neuen vom Zaun zu brechen.
- Nein. Es ist eine Empfehlung (das “R” steht für “Recommendation”). Natürlich kann man davon abweichen und die mAirList-Konfiguration ermöglicht es dir sogar.
-
Aber die Podcaster (und und und) …
- … kommen hoffentlich auch noch zur Besinnung. Du könntest zum Beispiel Beiträge aus deinem Programm als Podcast ebenfalls mit -23 LUFS bereitstellen (es gibt Programme, die dir das geschnittene Material auf diesen Wert herunterrechnen und so abspeichern).
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Kann ich nicht auch mit -14 LUFS (+9 LUFS relative) normalisieren und so mit den anderen Sendern mithalten?
- Abgesehen von der ersten Antwort (bitte mach’ es nicht): Theoretisch schon, aber da scheitert es meist an der Praxis. Du kannst es gerne probieren - und dennoch wirst du im Schnitt vermutlich nicht auf diesen Wert kommen.
Bei der Normalisierung setzt die -1 dBTP-Grenze ein. Okay, du könntest auch auf 0 dBTP normalisieren, aber wie du vorab gesehen hast: Der True Peak - Algorithmus arbeitet tiefer und gründlicher als der “einfache” Peak und hält hohe LUFS davon ab, über das Ziel hinausschießen zu wollen. Bei einem Test sind wir selten über -16 LUFS hinaus gekommen.
Letztlich leidet die Dynamik und der Klang darunter - doch wollten wir nicht genau das vermeiden?
- Abgesehen von der ersten Antwort (bitte mach’ es nicht): Theoretisch schon, aber da scheitert es meist an der Praxis. Du kannst es gerne probieren - und dennoch wirst du im Schnitt vermutlich nicht auf diesen Wert kommen.
- Warum dann aber die -18 LUFS aus dem Test und was hat das mit DAB+ zu tun?
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Achtung, keine Quellenangabe, daher mit Vorsicht zu genießen!
Böse Zungen behaupten, der - analoge - UKW-Rundfunk sei schuld.
Genauer: Verschiedene Quellen im Internet, die nicht zwingend verlässlich sein müssen, behaupten, es sei ein Kompromiss zugunsten der Radios mit Stationstasten für FM (UKW) und DAB+. Da für die UKW-Aussendung gewisse technische Mindestvorgaben gelten, die zu einem bestimmten Pegel am Empfänger führen, sollte DAB+ da bei der Umschaltung sinnvollerweise mithalten. Dabei soll mal jemand errechnet haben, dass -18 LUFS der Zielwert ist, bei dem der Lautheitssprung am wenigsten auffällt. Keine Ahnung, ob’s stimmt - messt halt mal euren UKW-Empfänger durch… -
Hinzu kommt, dass - nach meiner bisherigen Erfahrung - ein Zielwert von -18 LUFS einen gerade noch tragbaren Kompromiss zwischen Lautheit und noch nicht eingeschränkter Lautheit darstellt, bevor die True-Peak-Bremse stärker absenken muss als vorgesehen.
Siehe dazu das vorige Zitat von Tondose mit den -20 LUFS aus der Feldforschung. -
Anregung an die Webradio-Betreiber: Wenn euch -23 LUFS schon zu leise vorkommt, dann probiert es vielleicht doch mal mit einem Wert um die -20 LUFS, maximal jedoch -18 LUFS.
Stellt euch einfach vor, eure Hörer hören euch auf einem kombinierten UKW / DAB+ / W-LAN-Radioempfänger. Niemand möchte sein Lieblings-Webradio einschalten und dabei Opfer eines akustischen Überfalls werden.
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Ich hoffe, ich konnte ein paar Denkanstöße und Aha-Effekte mit auf den Weg geben.
Wir hören uns - - - hoffentlich leiser.