Normalisierung ab mAirList v6.2

Geschätzter Tondose,

selbstverständlich sei dir eine Anmerkung gestattet - ja, sie ist sogar ausdrücklich erwünscht. Muss ich dich denn - schon wieder - erinnern, wem ich es zu verdanken habe, dass ich heute so gefestigt und überzeugt in deinem Fachgebiet dozieren kann (darf)?

Wem das nichts sagt: Hätte Tondose mir zu meinen (zugegeben: erbärmlichen) Radio-Anfangszeiten nicht mal ordentlich den Kopf gewaschen und mich nicht aufs richtige Gleis gesetzt, könnte ich heute nicht mit so viel Herzblut für gutes Radio plädieren. Außerdem hat er damals zu meiner Aircheck-Bewertung von allen Hörern die konstruktivste Kritik geäußert, auf die ich wenigstens aufbauen konnte.

Ich finde es immer wieder faszinierend, wie einig wir uns (fast immer) in der Sache an sich sind; allein auf dem Weg zum Ziel wandeln wir mitunter auf verschiedenen Pfaden.
Ein Kollege von dir formulierte es mal so: “Kultur entsteht durch Reibung!” - und genau das brauche ich, denn es bringt (hoffentlich nicht nur) mich weiter, eröffnet neue Horizonte und lässt uns differenzierte Ansichten einer näheren Prüfung unterziehen.

Hier ist es nicht anders: Ja, wir wollen beide Radioprogramme mit einer angenehm zu hörenden Dynamik, einen guten Pegel, der natürlich -23 LUFS bei -1 dBTP (max.) betragen soll und nicht zuletzt ein Team an Moderatoren, die uns als Hörer abholen und begleiten.
Sie nutzen mAirList, um sich auf das wesentliche - eine gute Sendung sauber zu fahren - konzentrieren zu können.

Aber wo unterscheiden sich unsere Wege?
Bei dir habe ich den Eindruck, dass du keinen anderen Weg als die Luftlinie zur Punktlandung suchst. Straight forward, nichts anderes.
Vorteil: Ist zielführend, man verzettelt sich nicht und verschwendet keine Energie für Nebenkriegsschauplätze.

Uli, der Störenfried :upside_down_face: hingegen schaut auf eventuelle Besonderheiten am Wegesrand, baut unter Umständen einen Zwischenstopp ein und nimmt nötigenfalls im Besenwagen auch die noch mit, die noch auf der Strecke sind, während TSD auf dem Problemlösungs-Highway schon längst am Ziel ist.
Ich bringe dir die Anwender (oder: Zuschauer?), für die du im Ziel alles schon fertig vorbereitet hast, um mit deiner Performance zu glänzen und damit ein Vorbild für alle anderen zu sein.

Schöne Erzählung. Aber worauf will ich hinaus?
Ich bin bereit, auf dem Weg zur einheitlichen Lautheit (der schwer genug ist) auch mal Kompromisse einzugehen, wenn mir dadurch mehr begeisterte Anhänger der Lautheits-Normalisierung folgen.

Wähle ich hingegen die harte Konfrontation “Die schöne Lautheit gibt es nur, wenn du die -23 LUFS einhältst!”, werde ich Leute abschrecken, denen der Sprung zu krass ist. Dann bleiben wir R-128-Fetischisten unter uns und werden als Exoten belächelt.
Das kann es nicht sein.

Wenn noch nicht mal die “klassischen” UKW-Sender es schaffen, ihren Webstream im Zaum zu halten, dann wird ein von uns erhobener Zeigefinger doch nur müde belächelt.
Bei meiner letzten Auswertung reichte die Spanne von -19 LUFS (das war der leiseste und der kam aus Bayern) bis zu katastrophalen -10 LUFS (ein ortsansässiger Privatsender). Noch nicht mal innerhalb eines Funkhauses waren gleich laute Webstreams möglich. Ja, Himmel hilf!

Durch meine Kompromissbereitschaft breche ich nicht automatisch einen neuen loudness war vom Zaun. Die Kombination aus LUFS und dBTP wird mit ihrem intelligenten Algorithmus den “ich fahre bei rot gegen die Wand”-Fuzzis ganz mächtig reingrätschen.
Und wenn man erst mal erkennt, dass diese brikett-gemasterte Grütze in der R 128 ohnehin keine Chance hat, stellt sich ein Umdenken ein.

Wenn ich die Leute nun abhole bei “es gibt einen Mittelweg, der zwar nicht exakt R 128-konform ist, aber den Algorithmus ebenso gut nutzt und dabei das Hörerlebnis verbessert”, dann wird aus Neugier Akzeptanz.
Hinzu kommt, dass viele immer noch Hard- oder Software-DSP vor dem Encoder haben. Die kannst du ja nun auch nicht zwangsabschalten, wenngleich du sehr treffend formuliert hast:

Auch hier bin ich völlig mit dir d’accord - zumal es ja meine eigene Erfahrung ist. Ich habe in dem anderen Thread sogar beschrieben, dass ich meine Summen-Hardware-DSP auf bypass geschaltet habe, weil ich bereits in der Beta-Phase der v6.2 Feuer und Flamme für dieses Feature war.

Die Realität ist nun aber, dass viele Anwender - Lautheitsnormalisierung hin oder her - immer noch Hard- und Software am Start haben, die das eigentlich gute Produkt “Signal gemäß R 128” wieder vermurksen.
Den Grund dafür bzw. die Motivation dahinter stelle ich erst mal nicht infrage, auch wenn du (mal wieder) vollkommen korrekt schlussfolgerst:

Es gibt ja neben dem Kompressor noch jede Menge anderer Sound- und Signalverbieger, die nicht alle zwingend angebracht sind. Aber des Menschen Pille ist sein Himmelreich; es wird eine Weile brauchen, bis sich auch hier die Erkenntnis durchsetzt: Ach, das brauche ich ja gar nicht (mehr)!

Wenn ich nun aber argumentiere: Schau mal, mAirList liefert dir mit der Lautheits-Normalisierung ein so derart schönes Signal, dass dein DSP nahezu arbeitslos wird, zumindest aber so wenig zu tun hat, dass es der Hörer fast gar nicht mehr mitbekommt, setz’ mal deinen Techniker drauf an - dann habe ich Interessenten geködert, die diese Funktion unter diesem Aspekt und mit diesem Vorteil noch gar nicht gesehen haben.

Es wäre doch schon ein sensationeller Fortschritt, wenn wir einen Sender (oder gar eine Senderfamilie!) dazu bringen könnten, einheitlich auf [erträglicher Wert jenseits der Empfehlung] LUFS zu normalisieren und zu senden. Wenn das erst mal erreicht ist und das als als akustische Bereicherung auch wirklich wahrgenommen wird, dann ist der zweite Schritt, die Reduzierung auf -23 LUFS, viel leichter als mit der Brechstange wie oben beschrieben.

Ich habe in den letzten Tagen (Wochen?) mit vielen mAirList-Kunden telefoniert, die mit der neuen Normalisierung erst mal gar nichts anfangen konnten.
Okay, das mit dem Kommunikationsdefizit werde ich mir wohl auf die Fahne schreiben müssen (was mein Chef vermutlich ganz anders sieht :sunglasses:), aber Fakt ist doch: Der Vorteil muss erst mal “verkauft” werden - wenngleich die Zusatzfunktion für Inhaber einer 6er-Lizenz ohnehin kostenlos ist. Sensationell!
Na gut, nicht jeder kann mal so schnell zwischendurch updaten, das ist wohl wahr.

Wenn du einen DAB+ Sender hast, dann gibt es da nun mal eine real existierende Konkurrenz auf dem Mux, und während du einem Webradio noch raten kannst:

Der um Werbekunden buhlende Radiobetreiber mit Gewinnerzielungsabsicht kann nun mal nicht in seine Steuererklärung schreiben “Hey, dafür habe ich ‘Sachen in der Hose’”.
Klar, wenn wir alle mal komplett digital senden, dann kann man da was draus machen, da sehe ich echte Chancen. Aber momentan… ich weiß nicht.
Was ich von unseren DAB’lern meist höre: “Hey, ihr seid schon so leise, wollt ihr nicht doch ein bißchen lauter?” (nein, wollen sie nicht) - aber dann eben auch nicht noch leiser.

Danke für die Steilvorlage.
Ein weiterer Aspekt waren wohl die Lautheitssprünge bei den Werbeblöcken. Noch so ein Köder: Ich frage primär die etwas älteren unter uns, die sich noch an die Anfänge des Privatfernsehens erinnern können, ob sie nicht gemerkt hätten, dass sich da im Vergleich zu früher was verändert hätte? Und da ist er dann, der Aha-Effekt.
Doch auch bei jüngeren Radiobetreibern verfängt das: Komisch, das Fernsehen ist für dich nicht zu leise, oder? Aber das Radio muss laut sein, weil …?

Klar, das Optimum ist erreicht, wenn sowohl TV, DAB+ und W-LAN-Radio (und die private Mediathek? Hach!) über einen Verstärker im Wohnzimmer alle die gleiche Lautheit hätten und es beim Umschalten keinen hektischen Griff mehr zum VOLUME-Regler geben müsste.

Der Weg dahin ist schwer und langwierig. Ich bin - im gewissen Rahmen - kompromissbereit, wenn ich dadurch meinem Ziel näher komme.
Auch wenn ich vielleicht nicht so schnell und zielgerichtet wie du ankomme. Aber: Wir sehen uns dort. :slightly_smiling_face: