Auf jeden Fall.
Gerade Jingles - bleiben wir mal bei dem Beispiel - werden ja gern sowohl stark brikettiert als auch pegelmäßig maximiert. Solches Ausgangsmaterial treibt MP3 an seine Grenzen, vor allem bei VBR und/oder Bitraten < 256.
Wie ich las, bist du foobar-Nutzer. Sehr gut! Dann hast du ja sowohl ein recht präzises Peak- als auch aussagekräftiges VU-Meter zur Verfügung und kennst vermutlich die Erscheinung, dass bei oben beschriebenem Material der Pegel über die 0 dBfs-Marke (Peak) hinaus getrieben wird. Genau da liegt das Problem, denn mehr als 0 dBfs können ja gar nicht wiedergegeben werden. Das hat zur Folge, dass sich in einem solchen Fall die Spitzen zu Rechtecken verformen, was den Energiegehalt (also das Integral -> die Lautheit bzw. VU) zusätzlich zur ohnehin erfolgten Kompression schlagartig dramatisch in die Höhe treibt. Die daraus resultierende Verzerrung und die unnatürliche Signalstruktur sind freilich nichts für unsere Ohren.
Die Erkenntnisse, die du aus dem VU-Meter bei solchen Beobachtungen ziehen kannst, sind im wesentlichen die gleichen, die MP3Gain bei der Analyse gewinnt (abgesehen von der Hörkurve, die das lineare VU-Meter des foobar nicht berücksichtigt). Das bedeutet, das Jingle wird als “irre laut” entlarvt und bekommt von MP3Gain eine entsprechend kleine Skalierung verpasst. Dabei werden wirklich keine Audiodaten an sich verändert. Das Jingle bleibt also exakt so dynamikfrei, wie es produziert wurde. Lediglich der Pegel wird abgesenkt, quasi wie ein herunter gedrehter Lautstärkeregler.
Wie weit diese Absenkung erfolgt, ist von dem vorgegebenen Zielpegel abhängig. Der Standardwert von 89,0 dB ist in der Tat leicht streitbar, führt aber - und darum ist er so wie er ist - dazu, dass innerhalb eines Archivs Tracks mit sehr großem Dynamikumfang (also geringer durchschnittlicher Lautheit, aber bisweilen hohem Spitzenpegel) nicht clippen. Darunter versteht man die oben beschriebene Erscheinung, die 0-dBfs-Marke zu überschreiten.
Es ist problemlos möglich, sich eine von Mp3Gain bearbeitete Datei sofort anzuhören. Stellt man dabei fest, dass das Ergebnis nicht ganz dem entspricht, was man sich erhofft hatte, tippt man in MP3Gain den Zielwert etwas größer oder kleiner ein, bis (on the fly) hinter der Datei ein + oder - 1,5 dB erscheint. Per Klick auf Track Gain wird die Änderung sofort geschrieben und man kann wieder nachhören. Dabei darf die Datei nur nicht gerade offen, also in Zugriff sein (in WinAmp oder foobar STOP klicken).
An dieser Stelle sei auch noch einmal auf MP3DirectCut hingewiesen, mit dem sich auch gainen und faden lässt und das dabei die selbe funktionelle Basis wie MP3Gain benutzt, nämlich das GlobalGain-Feld in den Headern der MP3-Frames. Einzelfälle kann man also auch dort gut analysieren und behandeln.
Es mag in der Tat eine Glaubensfrage sein, ob man sich nun lieber auf rein metadaten-basiertes ReplayGain mit seinen Nachteilen (Gefahr von unkontrollierter oder ungewollter Manipulation oder Löschung der Tags, fehlende Unterstützung) oder die globalgain-basierte Methode verwendet. Letztere hat nur einen einzigen, verschmerzbaren Nachteil: das 1,5-dB-Raster. Ansonsten spricht ihre universelle Auswirkung auf praktisch jeden Dekodierungsvorgang für sie. Von einer Mischung beider Methoden innerhalb eines Archives würde ich in jedem Fall absehen. Zum einen bedeutet es unnötige Mehrarbeit, zum anderen erscheint es nicht sinnvoll, von MP3Gain gemachte Änderungen durch ReplayGain wieder verändern zu lassen. Dieses Hin-und-Her-Rechnen mit dubiosen dB-Werten ist der Qualität des Audiosignals letztlich auch alles andere als zuträglich.